Das geistliche Wort

Lauter Lebensworte

Am 20. Mai 2023 feierten wir in der Kreuzkirche den Abendmahlsgottesdienst zur Konfirmation. 13 aufgeregte und gespannte Konfirmanden waren dabei. Auf den Tag genau 50 Jahre lag an diesem Tag meine eigene Konfirmation zurück. Erinnerungen stiegen auf. Zwei Jahre Unterricht bei einem strengen Pfarrer, unendlich vieles, was wir auswendig lernen mussten, aber auch der festliche Konfirmationsgottesdienst. Als Gruppe hatten wir mit älteren Jugendlichen ein modernes Lied ­eingeübt. Und wir durften als erste Gruppe im Dorf unsere Konfirma­tionssprüche selbst aussuchen. Ich entschied mich für Jeremia 16,19: „Herr, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“ Als der Pfarrer mir die Hand auf den Kopf legte und mir den Vers als Segen zusprach, habe ich am ganzen Leib gezittert, so sehr hat es mich ­gerührt. Das, was ­Jeremia bekennt, kann ich heute mit ganzem Herzen nachsprechen.

Es hat viele Situationen gegeben, in denen ich gescheitert bin. Gesundheitliche Krisen, Abschied von lieben Menschen und von eigenen ­Zielen. Und immer habe ich dann mit jenen Worten ­gebetet. Bevor ich mich sonntags zum Gottesdienst setze, bete ich den Vers im Stillen. Es ist mein Leitvers, mein Lebenswort.

Bei der Feier zur Goldkonfirmation letztes Jahr waren 9 von den damals 14 Konfirmanden dabei. Bei vielen sind Dinge anders gekommen als erhofft und erwartet, Ehen sind zerbrochen, manche haben Sorgen um die erwachsenen Kinder, die ihren Weg im Leben nicht finden, andere tragen schwere gesundheitliche Probleme. Manche suchen nach dem Ende der Berufstätigkeit neu nach einem Lebenssinn. Ihren Konfirmationsspruch kannten die meisten noch. Ob er für sie zum Lebenswort an guten und schlimmen Tagen geworden ist? Darüber haben wir in der großen Runde nicht gesprochen. Lebensworte sind Sätze, die aufrichten, wenn uns das Leben gebeugt hat, die befreien, Mut machen und helfen, Krisen durchzustehen. Sie trösten, wenn sonst aller Trost schal wirkt, sie lassen dankbar zurück und zuversichtlich nach vorn schauen. Lebensworte sagen mir, dass ich gewollt und geliebt bin.

Im April und Mai werden in unseren Kirchen wieder Jugendliche ­konfirmiert. Auch sie suchen sich ihren Konfirmationsspruch selbst aus. Ich hoffe und wünsche ihnen, dass sie in diesem Vers auch ein Lebenswort für sich finden und sich nach 50 Jahren noch an diesen besonderen Tag mit dem festlichen Gottesdienst, dem persönlichen Segen und dem Lebenswort, das sie auf einer gerahmten Urkunde als Geschenk ­erhalten, erinnern.

Ihr Pfarrer Jörg Süß